Katechismus der
Katholischen Kirche
Krankheit und Heilung
1502 Der Mensch des Alten Testamentes erlebt die Krankheit im Blick auf Gott. Er klagt vor Gott über seine Krankheit [Vgl. Ps 38], und erfleht von ihm, dem Herrn über Leben und Tod, Heilung [Vgl. Ps 6,3; Jes 38].
Die Krankheit wird zum Weg der Bekehrung [Vgl. Ps 38,5; 39,9.12], und mit der Vergebung durch Gott setzt die Heilung ein. Das Volk Israel erlebt,
dass die Krankheit auf geheimnisvolle Weise mit der Sünde und dem Bösen zusammenhängt, und
dass die Treue zu Gott, seinem Gesetz gemäß, das Leben zurückgibt: „denn ich bin der Herr, dein Arzt" (Ex 15,26).
Der Prophet Jesaja sieht voraus, dass das Leiden auch den Sinn einer Sühne für die Sünden anderer haben kann [Vgl. Ps 32,5; 107, 20; Mk 2,5—12]. Er kündigt an,
dass Gott für Zion eine Zeit herbeiführen wird, in der er jedes Vergehen vergeben und jede Krankheit heilen wird [Vgl. Jes 33,24].
Christus als Arzt
1503 Das Mitleid Christi mit den Kranken und seine Heilungen von Krankheiten jeder Art [Vgl. Mt4,24.] sind ein offensichtliches Zeichen dafür,
dass „Gott ... sich seines Volkes angenommen" hat (Lk 7,16) und dass das Reich Gottes ganz nahe ist.
Jesus hat die Macht, nicht nur zu heilen, sondern auch Sünden zu vergeben [Vgl. Mk 2,5—12]. Er ist gekommen, den ganzen Menschen — Seele und Leib — zu heilen.
Er ist der Arzt, den die Kranken nötig haben [Vgl. Mk 2,17]. Sein Mitleid mit allen Leidenden geht so weit,
dass er sich mit ihnen identifiziert: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht" (Mt 25,36). Seine besondere Liebe zu den Kranken bewog die Christen, durch alle Jahrhunderte sich all derer anzunehmen, die körperlich oder seelisch leiden.
Sie spornte zu unermüdlichen Anstrengungen an, deren Los zu erleichtern.
1504 Oft verlangt Jesus von den Kranken, dass sie glauben [Vgl. Mk 5,34. 36; 9,23].
Er verwendet Zeichen, um zu heilen: Speichel und Handauflegung [Vgl. Mk 7,32—36; 8,22—25.], Teig aus Erde und Waschung [Vgl. Joh 9,6—7]. Die Kranken suchen, ihn zu berühren [Vgl. Mk 1,41; 3,10; 6,56], „denn es ging eine Kraft von ihm aus, die alle heilte" (Lk 6,19). In den Sakramenten fährt Christus fort, uns zu „berühren", um uns zu heilen.
1505 Über so viele Leiden erschüttert, lässt sich Jesus von den Kranken nicht nur berühren, sondern macht sich ihre Nöte zu eigen: „Er hat unsere Leiden auf sich genommen und unsere Krankheiten getragen" (Mt 8, 17)3.
Er heilte aber nicht alle Kranken. Seine Heilungen waren Zeichen für das Kommen des Gottesreiches. Sie kündigten eine viel tiefer greifende Heilung an: den Sieg über Sünde und Tod durch sein Pascha. Auf dem Kreuz nahm Christus die ganze Last des Bösen auf sich. [Vgl. Jes 53,4]
Er nahm „die Sünde der Welt" hinweg (Joh 1,29), von der Krankheit eine Folge ist. Durch sein Leiden und seinen Tod am Kreuz hat Christus dem Leiden einen neuen Sinn gegeben: es kann uns nun ihm gleichgestalten und uns mit seinem erlösenden Leiden vereinen.
„Heilt die Kranken ... !"
1506 Christus fordert seine Jünger auf, ihm nachzufolgen und ihr Kreuz auf sich zu nehmen [Vgl. Mt 10,38].
In seiner Nachfolge gewannen sie einen neuen Blick für die Krankheit und die Kranken. Jesus nimmt sie in sein eigenes armes, dienendes Leben hinein. Er
lässt sie an seinem Dienst des Mitleidens und des Heilens teilhaben.
„Die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie" (Mk 6, 12—13).
1507 Der auferstandene Herr wiederholt diese Sendung (,‚In meinem Namen werden ... die Kranken, denen sie die Hände auflegen, ... gesund werden": Mk 16, 17—18) und bekräftigt sie durch die Zeichen, welche die Kirche wirkt, wenn sie seinen Namen anruft [Vgl. Apg 9,34; 14,3].
Diese Zeichen erweisen auf besondere Weise, dass Jesus wirklich der „erlösende Gott" ist [Vgl. Mt 1,21; Apg 4, 12].
1508 Der Heilige Geist schenkt einzelnen Menschen ein besonderes Heilungscharisma [Vgl. 1 Kor 12,9. 28. 30.], um zu zeigen, wie wirkkräftig die Gnade des Auferstandenen ist.
Selbst intensivste Gebete erlangen jedoch nicht die Heilung aller Krankheiten. So
muss der hl. Paulus vom Herrn vernehmen: „Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit" (2 Kor 12,9). Die zu erduldenden Leiden können folgenden Sinn haben: „Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt" (Kol 1,24).
1509 „Heilt Kranke !" (Mt 10,8). Diesen Auftrag hat die Kirche vom Herrn empfangen und sucht ihn auszuführen, indem sie die Kranken pflegt und sie mit ihrer Fürbitte begleitet.
Sie glaubt an die belebende Gegenwart Christi, des Arztes der Seele und des Leibes. Diese wirkt vor allem durch die Sakramente und ganz besonders durch die Eucharistie, das Brot, welches das ewige Leben gibt [Vgl. Job 6, 54. 58].
Der hl. Paulus deutet an, dass die Eucharistie auch mit der leiblichen Gesundheit in Beziehung steht [Vgl. 1 Kor 11,30].
1510 Die apostolische Kirche kennt einen eigenen Ritus für die Kranken. Er wird vom hl. Jakobus bezeugt: „Ist einer von euch krank? Dann rufe er die Presbyter der Kirche zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben.
Das gläubige Gebet wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten; wenn er Sünden begangen hat, werden sie ihm vergeben" (Jak 5, 14—15). Die Überlieferung hat in diesem Ritus eines der sieben Sakramente der Kirche erkannt [Vgl. DS 216; 1324—1325; 1695—1696; 1716—1717].
Ein Sakrament für die Kranken
1511 Die Kirche glaubt und bekennt, dass unter den sieben Sakramenten eines ganz besonders dazu bestimmt ist, die durch Krankheit Geprüften zu stärken: die Krankensalbung.
„Diese heilige Salbung der Kranken wurde von Christus, unserem Herrn, als wahrhaftes und eigentliches Sakrament des Neuen Testamentes eingesetzt, und zwar bei Markus angedeutet [Vgl. Mk 6,13], durch Jakobus aber, den Apostel und Bruder des Herrn, den Gläubigen empfohlen und verkündet [Vgl. Jak 5,14—15]" (K. v. Trient: DS 1695).
1512 In der liturgischen Überlieferung des Ostens wie des Westens werden seit dem Altertum Zeugnisse für Krankensalbungen mit geweihtem Öl bezeugt.
Im Lauf der Jahrhunderte wurde die Krankensalbung mehr und mehr nur noch Sterbenden gespendet, so
dass sie dann als „Letzte Ölung" bezeichnet wurde. Ungeachtet dieser Entwicklung unterließ es die Kirche nie, zum Herrn zu beten,
dass der Kranke wieder gesund werde, wenn das seinem Heil förderlich sei [Vgl. DS 1696].
1513 Die Apostolische Konstitution „Sacram unctionem infirmorum" vom 30. November 1972 hat im
Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil [Vgl. SC 73.] bestimmt, dass von nun an im römischen Ritus folgendes gilt:
„Das Sakrament der Krankensalbung wird jenen gespendet, deren Gesundheitszustand bedrohlich angegriffen ist, indem man sie auf der Stirn und auf den Händen mit ordnungsgemäß geweihtem Olivenöl oder, den Umständen entsprechend, mit einem anderen ordnungsgemäß geweihten Pflanzenöl salbt und dabei einmal folgende Worte spricht: ‚Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes: Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf" [Vgl. CIC, can. 847, § 1].